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Projekt "Biodrom". Integratives Energie-, Wasser- und Stoffstrommanagement für dezentrale, autarke Ver- und Entsorgungsstrukturen. Machbarkeitsstudie

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Zusammenfassung

 

Entnommen aus:

Ripl, W., Petersen, H., Gerlach, I., Peickert, U. & Schmalstieg, F. (2002): Integratives Energie-, Wasser- und Stoffstrommanagement für dezentrale, autarke Ver- und Entsorgungsstrukturen. BIODROM. Machbarkeitsstudie. Technische Universität Berlin, Systeminstitut Aqua Terra, Naturschutzhof Brodowin, NaturhausArchitekten Berlin, IGEA - Ingenieurgesellschaft für Erschließungs- und Anlagen-Planung mbH. Im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Manuskript. 84 pp.

Nach einer ersten Phase der Globalisierung, wird die Krisenanfälligkeit unserer von Wachstum abhängigen Volkswirtschaften deutlich. Gesellschaftliche wie auch physische Rückkopplungseffekte ergeben sich aus der zunehmenden Begrenztheit der Ressourcen.

Dies trifft in besonders hohem Masse auf Wasser und Energie sowie auf Vegetation, Atmos-phäre und Bodenfruchtbarkeit zu. Diese Güter bilden die unverzichtbare Basis für die Subsistenz der Gesellschaften. Erst ihre integrierte Betrachtung im funktionalen Zusammenhang lässt uns die Notwendigkeit erkennen, Wasser- und Stoffkreisläufe verlustarm an den Energiefluss zu koppeln und präzise zu steuern, um in lokalen, zellularen Bewirtschaftungsstrukturen die nachhaltige Existenz der Gesellschaften zu sichern.

Die vorliegende Studie ist ein Versuch aus einem interdisziplinären Ansatz heraus, Optimierungsstrategien zu entwickeln. Eine Arbeitsgruppe mit der fachlichen Ausrichtung Landschaftsökologie und Systemökologie, ökologische Landwirtschaft, alternative Energietechnik, Verfahrenstechnik, ökologisch orientierte Architektur sowie Betriebswirtschaft hat die Machbarkeit für ein integratives Energie-,Wasser-und Stoffstrommanagement für dezentrale, autarke Ver- und Entsorgungsstrukturen untersucht.

Der Landwirtschaftsbetrieb Brodowin dient dabei in der vorliegenden Studie als Beispiel für die Entwicklung einer systemaren Methodik zur Flächenbewirtschaftung durch die Integration von Wasser mit der Nahrungsmittel- und Energieproduktion. Ein solches Vorgehen bietet die Möglichkeit einer kürzergeschlossenen Kreislaufführung von Wasser und der daran gekoppelten Mineral- und Nährstoffflüsse auf der bewirtschafteten Fläche und reduziert die Stoffverluste. In der Konsequenz wird die anthropogen beschleunigte Alterung des Bodens wieder verlangsamt und die Effizienz einer nachhaltigen Produktion verbessert.

Schlüssel für diese Art der Bewirtschaftung sind eine bessere Nutzung der durch die Photosynthese produzierten Kohlenstoffquellen unter Einbindung der direkten und indirekten Nutzung der Solarenergie und des Regenwassers. Wesentliche Punkte einer dazu notwendigen Veränderung der üblichen Rotationen und auch des Anbausystems zu noch weniger Betriebsmittelzufuhr (in Anlehnung an Strategien der Permakultur), konnten und sollten in dieser Studie nicht abschliessend bearbeitet werden.

Die wichtigsten physischen Prozesse werden internalisiert, wobei sich die daran beteiligten Menschen im „BIODROM“ – in einer neuen Dorf- und Wirtschaftsform – vergesellschaften können. So können sie stoffliche Kreisläufe schliessen, eine hohe kommunikative und diverse Lebensqualität erreichen, die Flächenproduktivität bei nachhaltiger Erhaltung der Standorte steigern und in regionalen zellularen Strukturen durch eine erhebliche Steigerung der Ressourceneffizienz eine nachhaltige Zukunft produzieren.

Eine solche Restrukturierung böte eine zukunftsweisende Alternative zur heutigen im Hinblick auf die Ressourcen stark ineffizienten gesellschaftlichen Situation.

Die Analyse des Landwirtschaftsbetriebes in Brodowin ergab trotz eines relativ hohen Primärenergieeinsatzes nur geringe Erträge der Pflanzen- und Tierproduktion. Wassermangel, leichte, mineralstoffarme Böden (Bodenzahlen 15-48 (im Mittel 33)) und hohe Respirationsverluste bei der Tierproduktion sind wichtige Faktoren für die mässige Effizienz.

Vier Ansätze für die Steigerung der Effizienz wurden in der vorliegenden Studie untersucht:

1. Die sukzessive Verbesserung des Wasserhaushalts, des Temperaturausgleichs und des Stoffrückhalts auf den Böden durch die Anlage von nachhaltig bewirtschafteten Energiefeldern für eine weitgehend autarke Energieproduktion des Landwirtschaftsbetriebes Brodowin auf einer Fläche von etwa 100 - 150 ha.

2. Die verlustärmere Stoffrezirkulation auf den Böden durch Aufarbeitung landwirtschaftlicher Abwässer (hier Molkereiabwässer) zu stichfestem Dünger. Damit soll neben dem Wasserhaushalt auch die Flächenproduktivität erhöht werden.

3. Die Steigerung der Effizienz durch Produktion von Nährtieren auf bakterieller Basis für die Tierproduktion, insbesondere für Fisch und Geflügel, um die Respirationsverluste und damit den „ökologischen Fussabdruck“ (Wackernagel 1997) zu verringern. Die Steigerung der Effizienz auf der Fläche, wenn die Ausdehnung des ökologischen Landbaus nicht zur Externalisierung der gesellschaftlichen Subsistenz in Drittländer führen soll. Die autarke Erzeugung von Energie in Form von Biogas oder Biomasse verbunden mit der Umwandlung in elektrische Energie und Wärme mittels Kraft-Wärme-Kopplung zur nachhaltigen Verbesserung der ökologischen Bilanz (C-Bilanz) und des Betriebsergebnisses. Die kritische Betrachtung von Art und Umfang der heutigen Tierhaltung/Tierproduktion und des Primärenergieeinsatzes bei der Pflanzenproduktion.

4. Das BIODROM als Kern der Hoffläche, intensivste Steuerungszentrale sowie Innovations-, Wohn- und Entwicklungskomplex zur Schaffung quasi-autarker Strukturen durch die Kopplung von Energieversorgung und internen Wasser- und Nährstoffkreisläufen.

Ergebnisse

Die Stoffbilanz von Brodowin zeigt für die landwirtschaftlichen Produkte, dass nur etwa 10 % des geernteten Kohlenstoffs zum Ertrag beiträgt, während etwa 90 % der auf der Fläche als Nettoprimärproduktion produzierten Trockenmasse als Respirationsverluste ohne Nutzen an die Atmosphäre in Form von CO2 und N2 bzw. Oxidationsprodukte des Stickstoffs verloren gehen.

Als Ergebnis der energetischen Analyse des Landwirtschaftsbetriebes konnte ermittelt werden, dass der jährliche Energieverbrauch von Endenergieträgern (Dieseltreibstoff, Elektroenergie und Erdgas) in Höhe von ca. 2.600 MWh durch den regenerativen Energieträger Biogas im Umfang von 1.340 MWh abgelöst werden kann. Entscheidende Voraussetzung dafür ist die Bereitstellung von Kleegras auf einer Anbaufläche von ca. 100 – 150 ha und spezifischen Kosten von maximal 170,- €/ha ( ohne Investitionsförderung, aber unter Inanspruchnahme aller Flächenförderungen ).

Als kurzfristig umsetzbare Ergebnisse stellen sich die Einsparmöglichkeiten durch maximale Nutzung von Abwasser und organischen Abfällen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb, durch die eigene Produktion von Energie bei gleichzeitigem Aufbau der Böden durch Verbesserung des Wasser- und Stoffrückhaltes dar.

Der zu erprobende Ansatz der Veredelung von niederwertiger Biomasse in hochwertige Fleischproduktion (Geflügel und Fischproduktion) auf Basis einer Nährtierproduktion (Krebstierchen und Insektenlarven) unter Nutzung der energieeffizienten Bakterien und Pilzproduktion stellt einen Effizienzsprung dar, auf den zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise in Zukunft kaum verzichtet werden kann. Eine Steigerung der Effizienz ist vorrangig durch die bessere Nutzung der C-Quelle für die Energieerzeugung, das Wasserrecycling und die Nahrungsmittelproduktion erfolgversprechend.

Am Beispiel des Landwirtschaftsbetriebes Brodowin wird dieses Kreislaufmanagement zwischen landwirtschaftlicher Fläche, Hof- und Haushaltsfläche - das BIODROM - aufgezeigt.

Es wurden Entwürfe für verschiedene BIODROM-Gebäudestrukturen, die über den Landwirtschaftsbereich hinausgehen, erarbeitet.

Ansätze und Vorschläge

Für eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Struktur müssen die Produktionsprozesse für Energie, Wasser und Nahrungsmittel auf der Fläche gekoppelt werden. Ein verlustarmes Stoffrecycling ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Die Transporte müssen durch die Wiedereinführung regionaler Märkte bei hohem Veredelungsgrad durch die einzelnen Betriebe minimiert und verlustarme Kopplungen zwischen Stadt und Land entwickelt werden. BIODROM – Strukturen sind die physischen Knotenpunkte des gesellschaftlichen Trägernetzwerkes, die eine präzise Kreislaufführung des Wassers sowie der Energie- und Stoffströme bei minimierten Verlusten ermöglichen. Eine optimale Nutzung der Solarenergie gekoppelt mit Kohlenstoff bzw. organische Substanz als Energieträger kann die „ökologischen Fussabdrücke“ der in solche Strukturen integrierten Menschen stark reduzieren.

Ländliche Standorte mit schwachen Böden und wenig Wasser, Braunkohletagebau, Stadtbrache, semiaride und aride Gebiete können auf diese Weise bewirtschaftet und bezüglich ihrer Bodenfruchtbarkeit und ihrer Wasser- und Stoffrückhalteeigenschaften sukzessive verbessert werden.

Natürliche Prozesse in Fläche, Hof und Wohnbereichen werden so verknüpft, dass die Lebensmöglichkeit für Menschen auf kleiner Fläche ermöglicht werden kann.

Dem Zusammenbruch zentraler Versorgungsstrukturen bei Verknappung nichterneuerbarer Energiequellen sowie Transportproblemen wird durch die Entwicklung dezentraler, autarker Ver- und Entsorgungsstrukturen begegnet, in denen Menschen in Subsistenz leben können. Die Risiken werden lokal begrenzt.

Wasserdefizite bei der Produktion werden nicht durch das Bohren neuer Brunnen, sondern durch effizientere Wassernutzung und Neugestaltung der Landschaft mit dem Ziel des verbesserten Wasserrückhaltes, einer höheren Verdunstung (Kühlung) und damit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit des Niederschlags sowie eines kurzgeschlosseneren Wasser-kreislaufs vermieden.

Innovative Ansätze für die Bewirtschaftung sind:

· Der Einsatz von lageoptimierten Energiefeldern (Einbau in die Fruchtfolge bis zur Agroforstwirtschaft) für die lokale Energiegewinnung, den Temperaturausgleich und den Bodenaufbau.

· Die Rezirkulation von Mineral- und Nährstoffen als stichfesten Dünger aus der Wasserreinigung (Strohfilter) von Molkereiwässern und der Nahrungsmittelverarbeitung oder Schlämmen aus Biogasanlagen. Dabei wird die Stoffrückhaltefähigkeit verbessert. Auch Aschen aus Biomasseverbrennung können direkt auf die Fläche rezirkuliert werden.

· Die Konvertierung von niederwertiger Biomasse (Bioreaktor) zur Produktion von Nährtieren für die Fisch- und Geflügelzucht

· Das BHKW unter Rezirkulation des Wassers aus der Dampfphase in Verbindung mit der Grau- und Regenwasserreinigung und Nutzung der Latentwärme im Heizsystem einer BIODROM-Gebäudestruktur

· Nahrungsmittelproduktion in klimagesteuerten BIODROM-Gebäudestrukturen in Kombination mit Wohn- und Arbeitsräumen

· Abwasser- und abfallfreie Gestaltung der BIODROM-Gebäudestruktur durch den Einsatz von Vakuumtrenntoiletten, Aufarbeitung des Urins zu Nährlösungen, Einsatz von Hydrokulturen.

Zielstellung ist die Steigerung der Effizienz bzgl. der Tragfähigkeit der Wasser- Energie- und Nahrungsmittelproduktion auf der landeseigenen Bewirtschaftungsfläche (Verringerung des ökologischen „Fußabdrucks“ bis hin zu quasi-autarken Strukturen). Ein an der Landschaftsanalyse rückgekoppelter Kriterienkatalog für die Veränderung der Bewirtschaftungsstrategie des Landwirtschaftsbetriebes auf der Fläche wurde erstellt. Für die angeführten Ansätze wurden in den einzelnen Kapiteln Forschungsfragen formuliert und Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit angestellt.

Das geplante Projekt gliedert sich in 3 Arbeitsphasen:

In der Phase 1 erfolgt die wissenschaftlich-technische Untersetzung und Schnittstellenbearbeitung durch Untersuchungen und Betrieb von Pilotanlagen.

In der Phase 2 erfolgt die standortkonkrete Vorbereitung der Bewirtschaftungsstruktur und die Vorbereitung der Errichtung einer BIODROM - Gebäudestruktur bis zur Entwurfs- und Genehmigungsplanung.

 

In der Phase 3 sollen die Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsarbeit verteidigt werden, um begründet die Investitionen durchzuführen.

Der ermittelte Kostenrahmen für die Phase 1 der Erforschung und Erprobung

einschließlich der dafür erforderlichen Pilotanlagen werden auf 890.392,- €,

die Kosten für die Phase 2 Planung für Umsetzung werden auf 298.688,- € und

die Investitionen für die Phase 3 werden auf 1,0 - 1,5 Mio € geschätzt.

In der vorliegenden Studie wurde beispielhaft der Landwirtschaftsbetrieb Brodowin untersucht. Während der Erarbeitung dieser Studie haben sich aber einige Rahmenbedingungen des Landwirtschaftsbetriebes so verändert, dass eine kurzfristige Umsetzung dort nicht möglich erscheint.

Deshalb wird die Realisierung des Projektes z. Z. am Standort Diedersdorf im Süden Berlins präferiert. Partner ist die Fa. A. Dohrn & A. Timm von der Stiftung Sozialökologische Kreislaufwirtschaft. Eine entsprechende Absichtserklärung wird im März nach Abschluß der Kauf- bzw. Pachtverträge zwischen den Stadtgütern Berlin und der Fa. A. Dohrn & A. Timm eingereicht. Die fachliche Begleitung des Gesamtprojektes wird durch eine bereits gebildete Expertengruppe des An-Institutes Aqua Terra der Technischen Universität Berlin wahrgenommen. Zur Koordinierung des Projektes wird eine Projektleitung eingesetzt. Für die Arbeiten bis zur Entwurfs- und Genehmigungsphase wird ein Bearbeitungszeitraum von 2 Jahren eingeschätzt.

 

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