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1. Die heutige Wärme- und Elektrizitätsversorgung

Eine Primärenergie sparende, kostengünstige und soweit wie möglich krisenfeste Versorgung der Volkswirtschaft mit Wärme und Elektrizität ist zu einer politischen Richtmarke von hoher Bedeutung geworden. Die große Abhängigkeit sowohl des gesamten Wirtschaftslebens als auch eines jeden Ein­zelnen insbesondere von einer sicheren Elektrizitätsversorgung wird schlaglichtartig allerdings meist erst dann bewußt, wenn Versorgungsstörun­gen den normalen betrieblichen Ablauf oder privaten Lebens­rhythmus nach­haltig in Mitleidenschaft ziehen.

Die heutige Wärmeversorgung ist dadurch gekennzeichnet, daß die Wärme im allgemeinen dezentral am Ort des Verbrauchers durch unmittelbare Ver­brennung von Brennstoffen erzeugt wird. Dabei wird die beim Verbrennungsprozeß entstehende Wärme hoher Temperatur unmittelbar auf das zur Raum­heizung benötigte Temperaturniveau abgekühlt, womit eine nur sehr unvoll­kommene Ausnutzung der im Brennstoff enthaltenen Energie (genauer: Exergie) verbunden ist. Man könnte sie sehr viel besser nutzen, wenn man die Verbrennung durch Zwischenschaltung eines geeigneten Aggregats („Exergie­Umformer") in Stufen ablaufen läßt. Dies ist z.B. durch Verbrennung des Brennstoffs in einem Verbren­nungsmotor möglich, der Elektrizität erzeugt oder eine Wärmepumpe antreibt. Erst die dabei bei niedrigeren Temperaturen anfallende Abwärme - die Energie minderer Qualität darstellt - wird dann zur Raumheizung verwendet.

Die Elektrizitätsversorgung zeichnet sich heute durch eine fast ausschließ­lich zentrale Erzeugung in Großkraftwerken aus. Der erzeugte Strom wird anschließend über große Verteilnetze weite Strecken zu den meist dezentral gelegenen Verbrauchsorten transportiert. Die Energie, die dem Endver­brau­cher schließlich als elektrische Energie zur Verfügung steht, beträgt nur rd. 31 % der im Kraftwerk eingesetzten Primärenergie. Diese geringe Energie­ausnutzung hat ihren Grund darin, daß der energe­tische Wirkungsgrad der Großkraftwerke (= Verhältnis der erzeugten elektrischen Energie zur ein­gesetzten Brennstoffenergie) nach langjährigen Erfahrungen im Durchschnitt nur etwa 34 % beträgt, wenn man den erheblichen Eigenverbrauch der Kraft­werke sowie Teillast und betriebliche Leerlauf­zeiten berücksichtigt. Darüber hinaus sind die Verluste in der Netzverteilung in Höhe von durchschnitt­lich 8 % der eingespeisten Elektrizität für Niederspannungsverbraucher in die Betrachtung mit einzu­beziehen.

Zwei Drittel der Brennstoffenergie gehen in der Regel als Abwärme der Großkraftwerke an die Umge­bung verloren. Aus energiepolitischen Gründen ist es heute aber geboten, auch die in der Abwärme enthaltene Energie soweit und so wirtschaftlich wie möglich zu nutzen. Da diese Abwärmeenergie meist auf niedrigem Temperaturniveau anfällt, liegt es nahe, sie zur Raumheizung und Warmwasser­bereitung (im folgenden zusammengefaßt mit Raumheizung bezeichnet) heranzuziehen. Wie groß das hierfür geeignete Wärmebedarfspotential ist, läßt sich daraus ersehen, daß nach /1, Seite 20/ die Raumheizung im Sektor Haushalt und Kleinverbrauch (hierzu zählen auch öffentliche Ver­waltung, Krankenhäuser, Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe) mit etwa 34 % am gesamten Energie­verbrauch der Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist.

Die Nutzung der bei der Elektrizitätserzeugung anfallenden Abwärme ist einmal dadurch möglich, daß man die Abwärme der Großkraftwerke mit großen Fernwärmenetzen zu den Wärmeverbrauchern transportiert. Zum anderen kann man aber auch die Elektrizität dezentral in verbrauchernahen (Klein)Kraftwerken (Blockheizkraftwerke) erzeugen, so daß die Abwärme direkt beim Wärmeverbrau­cher anfällt und dort genutzt werden kann. Dies wird meist mit „Wärme-Kraft-Kopplung" bezeichnet. Obwohl in der Anfangs­zeit der Elektrifizierung weit verbreitet, wird dieser Prozeß heute fast nur noch in der Industrie genutzt, während er im Bereich der Elektrizitätsversor­gungsunternehmen (EVU) kaum Anwendung findet.

Eine Aussage darüber, welche Energiearten unter Wirtschaftlichkeits­gesichtspunkten zweckmäßiger­weise über größere Entfernungen transportiert werden und welche nicht, gibt die folgende Übersicht. In ihr sind die Trans­portkosten verschiedener Energieträger relativ zum Heizöl dargestellt (nach /2 bis 4/):

Heizöl

1



Gas, Kohle

2

-

3

Elektrizität

4

-

9

Fernwärme

15

-

100

Aus diesen, die erhebliche Spanne von 1:100 umfassenden Relationen folgt, daß insbesondere Wärme, nach Möglichkeit aber auch Elektrizität am Ort des Verbrauchers erzeugt werden sollte, während sich Heizöl, Gas und Kohle aus wirtschaftlicher Sicht eher für den Transport eignen. Hin­sichtlich der Fern­wärme wird diese Folgerung durch die im Auftrag des Bundesministeriums für For­schung und Technologie erarbeiteten Studie über die Fernwärme­versorgung /11 bestätigt. Aus ihr ergibt sich, daß Fernwärme auch unter günsti­gen Umständen nur über die relativ geringe Entfernung von 20 bis höchstens 30 km wirtschaftlich transportiert werden kann. Heute realisierte Transport­ent­fernungen liegen jedoch nur im Bereich von 6 bis 8 km, womit die Entfer­nungen zwischen den vor­handenen Großkraftwerken und den Ballungsgebie­ten nicht überbrückt werden können. Vor allem aus diesem Grund wird von der Fernwärme insgesamt gesehen vermutlich nur ein geringer Beitrag bei der Intensivierung der Wärme-Kraft-Kopplung erwartet werden können.

Ein Kennzeichen der heutigen Elektrizitätserzeugung ist ihre Zentralisie­rung auf relativ wenige Erzeu­gerunternehmen. Durch den Aufbau umfang­reicher Fernwärmenetze würde auch die Wärmeversor­gung stärker zentrali­siert.

Zentrale Strukturen haben aber die Eigenschaft, daß sie ursprünglich lokalen Störungen Ausbreitungs­möglichkeiten über ihren gesamten Wirkungs­bereich eröffnen. Solche Störungen können technische Ursachen haben (z.B. Blitzschläge), auf sozialen Unausgewogenheiten beruhen (z.B. Arbeitskämpfe) oder Ausdruck anderer Krisenerscheinungen sein. Hinzu kommt, daß das Machtpoten­tial zwischen zentral geführten Großstrukturen und dem einzelnen Staatsbürger auch in einem demokratisch geführten Staatswesen de facto nicht ausbalanciert werden kann. Dies kann beim heutigen Bürger zu Verdrossenheitsmomenten führen, die für die Weiterentwicklung der Gesell­schaft schädlich sind. Vorausschauendes politisches Handeln sollte deshalb bevorzugt solche Struktu­ren fördern, die aufgrund inhärenter Stabilitätskomponenten einen Beitrag zur Vermeidung solcher Folgeerscheinungen leisten. Hierzu zählt auch die dezentrale Wärme- und Elektrizitätserzeugung mit der Energie­box.

   
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